Europas Blick in die Kristallkugel

European Brewers Forum in Prag diskutierte Zukunft der europäischen Brauwirtschaft

Spannende Themen lockten viele Teilnehmer in die Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen.

Im Mittelpunkt vieler Vorträge und Diskussionen stand die Frage, wie der Sektor nachhaltiger und innovativer werden kann, um den Anforderungen der Verbraucher gerecht zu werden. Nachhaltiges Hefemanagement war dabei ebenso Thema wie die Frage, wie sich im täglichen Betrieb Emissionen und Wasserverbrauch oder auch CO2-Fußabdruck und Emissionen reduzieren lassen. Nicht nur in Brüssel bei der EU, wo um die neue Verpackungsverordnung PPWR gerungen wird, sondern auch in den Sitzungen des EBC in Prag ging es um nachhaltige Optimierung bei der Bierlieferkette und um Verbesserungen in der Kreislaufwirtschaft. Im Sinne von mehr Nachhaltigkeit geht es auch um die Senkung der Kohlendioxidemissionen und um die Verbesserung der Kreislaufwirtschaft für Wasser und nachhaltiges Brauen. Diskutiert wurden aber auch Fragen wie Inklusion und Diversität – auch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Spaltung, die zum Beispiel derzeit in den Vereinigten Staaten nach einer Transgender-Kampagne gerade der dortigen Budweiser-Division das Leben bzw. den Verkauf von „Bud Light“ schwermacht. 

Der Präsident der Brewers of Europe, Lasse Aho, eröffnete das Forum. (Bilder: Jan Rieken)

Bei den vorgestellten und diskutierten Innovationen ging es oft auch um „NAB/LAB“, also Non-alcoholic bzw. Low-alcoholic Beers. Bieren und -mischgetränken ohne oder mit nur wenig Alkohol, so war von mehreren Seiten zu hören, verdanken diejenigen Brauereien, die in diesem Segment aktiv sind, einen wesentlichen Teil des Aufschwungs. Und den kann die Bierbranche nach den coronabedingten Einbußen sehr gut gebrauchen – unterstützt vom Boom bei alkoholfreien Mischgetränken, die ebenso wie die alkoholfreien Biervarianten europaweit an Beliebtheit gewonnen haben – Ende des Aufschwungs nicht in Sicht. Welch hervorragende Ergebnisse die tschechischen Brauereien mittlerweile in diesem Bereich liefern, konnten die Teilnehmer im Internationalen Prager Kongresszentrum ebenso verkosten wie die Pils- und Lagerbiere. 
Das Forum wurde vom Präsidenten der Brewers of Europe, Lasse Aho, eröffnet: „Ich freue mich, in dieser Woche Brauer aus ganz Europa und dem Rest der Welt in Prag begrüßen zu dürfen. Unser Sektor stellt sich den Herausforderungen von heute: Wir sind jetzt über 10.000 Brauereien in Europa, die immer nachhaltiger produzieren und gleichzeitig einen Beitrag zur europäischen Wirtschaft leisten. Wir sind innovativ, kreativ, verantwortungsbewusst und wir bringen die Menschen auf positive Weise zusammen. Wir können stolz auf uns sein.“

Am ersten Tag sprachen außerdem Gavin Hattersley, Präsident und CEO von Molson Coors, Paolo Lanzarotti, CEO von Asahi Europe & International, Ivan Štefanec, MdEP, Präsident des Bierclubs des Europäischen Parlaments, sowie Jitka Götzková, Staatssekretärin im tschechischen Landwirtschaftsministerium. Am zweiten Tag stiegen Christian Weber, Vorstandsmitglied von The Brewers of Europe und CEO von Karlsberg (und zu diesem Zeitpunkt noch nicht Präsident des Deutschen Brauer-Bundes) und Bob Pease, Präsident und CEO der US Brewers Association, in einen transatlantischen Dialog über die Förderung von Bier als maßvollem Getränk ein. Die Teilnehmer waren sich dabei über eine Notwendigkeit einig: Es gehe darum, sicherzustellen, dass die politischen Entscheidungsträger weltweit Maßnahmen zur Unterstützung der Branche ergreifen.

Centec-CEO Dr. Robert Koukol

Ein Anliegen, das auch die Brewers of Europe mit dem EBC unterstützen: Das Forum verfolgt dabei auch das Ziel, „den Brauern und unseren Freunden die Gelegenheit zu geben, gemeinsam mit Optimismus, Kreativität und Solidarität in die Zukunft zu blicken und gemeinsam für eine gute Zukunft des Bieres zu sorgen“, hieß es in der Einladung. 
Dazu haben in Prag Brauereien, politische Entscheidungsträger, Verbrauchergruppen und Lieferanten das Bier gefeiert, die Probleme des Sektors erörtert und Lösungen diskutiert. Zahlreiche Sponsoren waren mit kleinen Messeständen vertreten und haben auch in Vorträgen darüber informiert, welchen Teil zu welcher Lösung sie beitragen können. Centec-CEO Dr. Robert Koukol stellte die Entalkoholisierungs-Anlage „DeAlcoTec“ seines Unternehmens vor und erläuterte das Verfahren, mit dem zum Beispiel die Gaffel-Brauerei schon vor zehn Jahren damit begonnen hat, Bier unter Vakuum zu entalkoholisieren.

Thomas Hutschenreuther demosntriert das "Flexi Draft"-System.

Welchen Beitrag die Schanktechnik zum Erfolg des (Fass-)Biers in Europa leisten kann, erläuterte Thomas Hutschenreuther von Micro Matic. An seinem Messe-Ausschank demonstrierte er in der Praxis, was er auch in einem Vortrag theoretisch vertiefte: Um beispielsweise bei Craft-Bieren höchste Sauberkeit in der Schankanlage zu gewährleisten und eine Infektion zu vermeiden, stellte er das System „Flexi Draft“ vor. Eine Einweg-Bierleitung, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Kunde zwar viele Biersorten vom Fass wünsche, aber gleichzeitig weniger davon trinke. Jedes Fass hänge also länger am Hahn, weshalb er für kleinere Gebinde plädiert, und eine Top-Hygiene anmahnt. „Sauberkeit, Wartung und Pflege von Schankanlagen bleiben oft auf der Strecke, auch hier macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar“, so Hutschenreuther. Auch für die Leitungen von alkoholfreiem Bier, das in Deutschland derzeit noch kaum als Fassware angeboten wird; auch deshalb, weil es aufgrund des fehlenden Alkohols besonders infektionsanfällig ist. Hutschenreuther sieht in der Einweg-Leitung die hygienisch und ökologisch beste Lösung zumindest für Gastronomien mit einer kurzen Entfernung von Fass und Zapfhahn sowie im Event-Bereich.

Den Eventbereich hat auch Schäfer Container Systems im Blick, die mit ihrem mobilen Zapfsystemen „draft2go“ und „draft2go+“ nach Prag gereist sind. Das System bietet als Zapfanlage ohne Strom eine Alternative zur stationären Zapfanlage und ermöglicht neue Möglichkeiten für mobile und individuelle Gastronomiekonzepte, ergänzt bei Bedarf aber auch das bestehende Sortiment.

Wie ein erfolgreicher Relaunch einer regionalen Marke inklusive Neupositionierung geht, erläuterte Georgina Young von der St. Austell Brewery im englischen Cornwall. Dort wurde das Lagerbier neu erfunden: „Korev“ heißt es, was in der cornischen Sprache Bier bedeutet. Dass dieser Landstrich an drei Seiten von Wasser umgeben ist und also viel Küste hat, war maßgeblich für die Neuerfindung der Marke, die jetzt – ähnlich wie hierzulande die norddeutschen Biere – das Thema See in allen Aspekten berücksichtigt. Der neue Slogan lautet: „Das ist die Küste in einem Glas. Trinken Sie alles in sich hinein.“

Neben einer bierkundlichen Führung durch Prag und seine lebendige Kneipenszene mit leckeren Spezialitätenbieren gab es am Tag 3 der Veranstaltung die Möglichkeit, Brauereien in der Nähe zu besichtigen oder sich Hopfen und Malz zu widmen.

Das nächste Brewers Forum findet gemeinsam mit dem 39. EBC-Congress in Lille statt: Fünf Tage lang, von 26. bis 30. Mai 2024, ist die französische Stadt Lille als „eine der faszinierendsten Bierstädte der Welt“ Gastgeber für die Brauer-Szene aus Europa und der Welt.                          (jr)

Wer die Pilsener Urquell-Brauerei besichtigt, bekommt Tradition und Moderne ebenso geboten wie ein frisch gezwickeltes Bier aus dem Lagertank.

 

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